Treibhauseffekt
Inhalt
Ansagerin
Derzeit haeufen sich die Nachrichten ueber
katastrophale Kuestenueberschwemmungen. Allein in diesem Jahr wurden dreieinhalb
Millionen Menschen obdachlos. Wissenschaftler geben an, daß der Meeresspiegel
in den letzten 100 Jahren um etwa einen Meter gestiegen ist.
Im Mittleren Westen der USA fuehrte im
letzten Sommer eine extreme Trockenheit zur schlechtesten je verzeichneten
Weizenernte. Sollte erneut eine solche Trockenheit eintreten, wuerde dies
weltweit zu einer drastischen Nahrungsmittelverknappung fuehren.
Auch in der Langzeitprognose bleibt es
heiß und trocken.
Selbst im kommenden Winter wird es nach
Expertenansicht waermer als gewohnt werden. Mit Schnee wird nicht zu rechnen
sein.
Kommentator
Koennten solche Nachrichten tatsaechlich in
der Zukunft zum Alltag gehoeren? Sollten sich die Prognosen der Wissenschaftler
als richtig erweisen, koennten diese Katastrophenmeldungen die Nachrichten des
21. Jahrhunderts beherrschen.
Die globale Erwaermung ist eine
ernstzunehmende Bedrohung fuer die Zukunft unserer Welt. Um diese potentiellen
Veraenderungen zu verstehen, muessen wir als erstes das natuerliche Gleichgewicht
zwischen unserer Atmosphaere und der Erde genauer betrachten. Nur so koennen wir
die Stoerungen erkennen, die wir Menschen verursachen.
Prof. Graßl ist Vorsitzender des
wissenschaftlichen Beirates der Bundesregierung ~Globale Umweltveraenderungen.
Er erklaert uns, wie das klimatische System der Erde funktioniert.
Prof. Graßl
Die Sonne ist die natuerliche Waermequelle
fuer unsere Erde. Das Sonnenlicht erreicht die Oberflaeche und erwaermt sie. Nun
kann aber die Oberflaeche sich nicht immer weiter erwaermen, denn je hoeher die
Temperatur ist, umso staerker
wird sie in den Weltraum zurueckstrahlen.
Waerme wird bei irdischen Temperaturen in Form von Infrarotstrahlung abgegeben,
einer Art von Strahlung, die man in der Nahe eines warmen Ofens empfindet: Man
kann sie fuehlen, aber nicht sehen.
Die Atmosphaere schluckt allerdings einen
Teil dieser Waermestrahlung, so daß die Oberflaeche waermer werden muß, um einen
Ausgleich zwischen Ein- und Ausstrahlung zu erreichen. Diese Erwaermung nennt
man den "Treibhauseffekt, da die Atmosphaere die Waerme wie in einem
Treibhaus an der Oberflaeche halt.
Es ist außerordentlich wichtig, daß es
diesen Treibhauseffekt gibt, denn ohne ihn waere es auf der Erde um etwa 30 0C
kaelter als heute. und dann wuerden sicherlich voellig verschiedene Lebensformen
diesen Planeten bevoelkern.
Kommentator
lnteressanterweise wird der
Treibhauseffekt durch natuerlich auftretende Gase verursacht, die weniger als
3%o der Masse der Erdatmosphaere ausmachen. Sie werden auch
"Treibhausgase" genannt. Je hoeher die Konzentration dieser
Treibhausgase ist, desto weniger Waerme kann direkt von der Erdoberflaeche in den
Weltraum entweichen: Es wird dadurch waermer auf der Erde.
Das bekannteste Treibhausgas ist das
Kohlenstoffdioxid oder 002. Es nimmt vor allem durch Abgase aus Industrie und
Kraftfahrzeugverkehr zur Zeit kraeftig zu. Noch wichtiger ist allerdings der
Wasserdampf aus der Verdunstung von Oberflaechenwasser. Aber auch Methan aus der
Zersetzung organischer Substanzen und Distickstoffmonoxid, oft Lachgas genannt,
als Stoffwechselprodukt von Bodenbakterien sind wichtige Treibhausgase.
Von den zunehmenden waermekonservierenden
Treibhausgasen ist jedoch Kohlenstoffdioxid das wichtigste. Es haelt nicht nur
die Waermestrahlung zurueck, sondern enthaelt ein lebenswichtiges Element fuer die
Zellen aller Lebewesen
- den Kohlenstoff. Der Kohlenstoff
zirkuliert in Form von Kohlenstoffdioxid zwischen den Pflanzen, den Meeren und
der Atmosphaere.
Der Kohlenstoffkreislauf funktioniert
folgendermaßen: Bei der Photosynthese der Landpflanzen und der Meeresalgen wird
Kohlenstoffdioxid gebunden und als organische Verbindung in den Zellen der
Pflanzen gespeichert. Durch die Zellatmung oder durch das Absterben der
Pflanzen wird fast alles Kohlenstoffdioxid wieder in die Atmosphaere oder den
Ozean zurueckgefuehrt. Eine geringe Menge setzt sich jedoch in Sedimentschichten
ab. Ueber viele Jahrmillionen haben sich diese Schichten mit Kohlenstoff in
Form von Kohle, Erdoel oder Erdgas angereichert. Das sind die sogenannten
fossilen Brennstoffe: die gespeicherte Energie aus den kleinen Abzweigungen im
Kohlenstoffkreislauf.
Heute aber kommen neue, nicht umkehrbare
Veraenderungen zum natuerlichen Kreislauf hinzu: Durch Fabriken, Kraftwerke,
Fahrzeuge - als Folgen der industriellen Revolution - werden zum ersten Mal in
der Geschichte unseres Planeten alarmierende Mengen menschlich produzierter
Treibhausgase in die Atmosphaere freigesetzt. Seit dem 18. Jahrhundert hat sich
die Kohlenstoffdioxidmenge in unserer Atmosphaere um ein Viertel erhoeht, und sie
steigt immer weiter an.
Heutzutage werden durch menschliches
Wirken jaehrlich 25 Milliarden Tonnen Kohlenstoffdioxid in die Atmosphaere
geblasen. Der groeßte Teil stammt aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe in
den Industrielaendern.
Hinzu kommen noch 400 Millionen Tonnen
Methan und Millionen Tonnen Distickstoffmonoxid - alle vom Menschen produziert.
Dazu noch einmal Prof. Graßl:
Prof. Graßl
Diese zusaetzlichen Gase, die wir als
Abgase in die Atmosphaere entlassen, sind Folgen unserer Zivilisation. Das
zusaetzliche Kohlenstoffdioxid entsteht ueberwiegend durch die Verbrennung von
Erdoel, Kohle und Erdgas. Zusaetzliches Methan entsteht beim Reisanbau, bei
intensiver Viehwirtschaft oder entweicht bei Kohlefoerderung und
Erdgasverteilung. Hinzu kommen noch immer die Fluorchlorkohlenwasserstoffe aus
Schaeumen und Kuehlschraenken - sie sind synthetisch und kommen in der Natur nicht
vor.
Kommentator
Eine weitere Quelle fuer die Zunahme von
Treibhausgasen ist die Zerstoerung der tropischen Regenwaelder. Durch die
Abholzung gelangen einige Milliarden Tonnen Kohlenstoffdioxid zusaetzlich in die
Atmosphaere, weil eine Aufforstung unterbleibt.
Wissenschaftler haben die steigende Menge
an Kohlenstoffdioxid direkt in der Atmosphaere gemessen. Die Kurve zeigt diese
Zunahme seit der ersten Aufzeichnung 1958 deutlich. Obwohl wir wissen, daß
dieser Anstieg von menschlichen Aktivitaeten stammt, koennen die Wissenschaftler
aber nur ungenau vorhersehen, wie sich diese veraenderte Zusammensetzung der
Luft in der Zukunft auswirken wird.
Hat diese rasche Zunahme an
Kohlenstoffdioxid bereits begonnen, unser Klima zu veraendern? Wie stark drehen
wir so am planetarischen Thermostat?
(Ende der ersten Sequenz s.
didaktisch-methodische Hinweise)
Fuer eine bereits begonnene Klimaaenderung
gibt es Anhaltspunkte, zum Beispiel in mehreren tausend Metern Tiefe unter dem
Polareis. Durch Eisbohrkerne aus der Antarktis und aus Groenland sind
Wissenschaftler in der Lage, die verschiedenen Waerme- und Kaeltezyklen waehrend
der vergangenen 200.000 Jahre zu bestimmen.
Die Jahresschichten im Inneren des
Polareises enthalten Luftblasen, die seit ueber 100.000 Jahren dort eingeschlossen
sind. Die Daten aus dem Eis zeigen ein bestimmtes Auf und Ab der Temperaturen.
Hier zeigt der sprunghafte Temperaturanstieg das Ende der letzten Eiszeit vor
18.000 Jahren.
Das zukuenftige Klima vorherzusagen ist
jedoch eine andere Sache. Wird die Temperaturkurve der Vergangenheit ihren
natuerlichen Lauf weiter verfolgen, oder werden von uns Menschen produzierte
Treibhausgase die Temperatur weiter erhoehen?
Da wir mit dem Klima keine unmittelbaren
Experimente durchfuehren koennen, wenden Wissenschaftler mathematische Modelle
an, um die Zukunft vorherzusagen.
Prof. Graßl
Unsere Theorien ueber die Funktionsweise
des Treibhauseffekts muessen die Gesamtheit des komplexen klimatischen Systems
erfassen, naemlich die Ozeane, die Atmosphaere, die Eisgebiete, die
Landoberflaeche, die Boeden und die Vegetation. Das ist nicht einfach. Aber die
Klimatologen haben entsprechende Modelle konstruiert. Sie verwenden dazu
umfangreiche, moeglichst auf Naturgesetzen beruhende mathematische Formeln. Nur
Großrechenanlagen sind in der Lage, diese Klimasimulationen in relativ kurzer
Zeit durchzufuehren.
Zum Beispiel erhoehen wir in unserem Modell
die Kohlenstoffdioxidmenge und beobachten, ob die Temperatur steigt.
Einer der am schwierigsten zu berechnenden
Klimaparameter - wie ich meine, noch wichtiger als die Temperatur ist die
raeumliche und zeitliche Verteilung der Niederschlaege.
Wir hatten in den letzten Jahren viele
extreme Duerren und ueberschwemmungen. Einzelne Extremereignisse sind kein Beweis
fuer die Wirkung des zusaetzlichen Treibhauseffektes, aber zusammen koennen sie
anzeigen, welches Klima wir in Zukunft haben werden.
Nicht nur ich, sondern die meisten
Klimatologen sind sich darin einig: Verbrennen wir wie bisher fossile
Brennstoffe, dann wird es weiter waermer auf dieser Erde.
Kommentator
Nach einer Computersimulation vom
Deutschen Klimarechenzentrum wird sich bei ungehindertem Kohlenstoffdioxidausstoß
die bodennahe Luft in den naechsten 100 Jahren um 2 bis 3 00 erwaermen. Wird
dagegen die Freisetzung der Treibhausgase bis zum Jahre 2025 auf heutigem Stand
gehalten und danach halbiert, wie im rechten Bild dargestellt, waere die
Erwaermung deutlich gemaeßigter.
Die Erwaermung um 2 bis 3 CC scheint nicht
besonders viel zu sein, aber es bedeutet eine mindestens 10fach schnellere
Erwaermung als irgendwann waehrend der vergangenen 10.000 Jahre, und der Anstieg
betraegt mehr als die Haelfte des Unterschiedes zwischen Eiszeit und Warmzeit.
Wenn die Gebirgsgletscher schmelzen und
das Meerwasser sich bei der Erwaermung ausdehnt, erhoeht sich der Meeresspiegel
nach einer sorgfaeltigen internationalen Studie um etwa 30 bis 40 cm in 100
Jahren, wenn keine Maßnahmen zur Emissionsminderung erfolgen.
Die Computermodelle zeigen auch, wie sich
die ueblichen Niederschlagsverhaeltnisse als Folge einer Erwaermung veraendern
wuerden. Die braunen Flaechen zeigen die Abnahme der Niederschlaege und damit
hoehere Trockenheit, die gruenen Flachen zeigen einen erhoehten Niederschlag.
Wie wir vorhin gesehen haben, waeren diese
Veraenderungen fuer viele Landwirte, deren Ernte vertrocknen wuerde, katastrophal.
Andererseits wuerden nicht alle Regionen darunter leiden. Dasselbe Modell zeigt
fuer andere Gebiete eine Niederschlagserhoehung, wodurch dort erstmalig Getreide
oder andere Produkte angebaut werden koennten.
Die Wissenschaftler kennen die
Schwierigkeiten bei einer regionalen Zuordnung der Klimaveraenderungen, und sie
wissen auch, daß eine Veraenderung der Bewoelkung besonders schwer abzuschaetzen
ist. Bedeutet das, daß wir warten koennen, bis die Klimatologen sicher sind, daß
ihre Vorhersagen stimmen? Nein, denn dann ist es fuer Abwehrmaßnahmen zu spaet.
Obwohl die Wissenschaftler noch keineswegs
exakt die zukuenftigen regionalen Klimaveraenderungen vorhersehen koennen, muessen
wir jetzt handeln, um die Risiken einer globalen Klimaveraenderung so gering wie
moeglich zu halten.
Eine Verringerung der menschlich bedingten
Kohlenstoff-Freisetzung wuerde zum Beispiel die Erwaermung durch den
Treibhauseffekt abschwaechen. Wenn nur ein Fahrzeug weniger fuehre, wuerden im
Jahr durchschnittlich fuenf Tonnen Kohlenstoffdioxid weniger in die Atmosphaere
gelangen.
Selbst wenn keine globale Klimaveraenderung
drohen wuerde, fuehrten diese Bemuehungen zu einer Verbesserung der Luftqualitaet.
Außerdem wuerde unsere Abhaengigkeit von fossilen Brennstoffen geringer werden.
Wir muessen auch die Entwicklungslaender
dazu anregen, die wertvollen tropischen Regenwaelder zu schuetzen. Das geht aber
nicht ohne wirtschaftliche Unterstuetzung durch die reichen Industrienationen.
Vor allem aber muessen wir verstehen, wie empfindlich das klimatische System der
Erde ist.
Es ist Zeit zu handeln: Wir sollten unsere
oeffentlichen Verkehrsmittel staerker nutzen. Die Effizienz der Energieumwandlungen
muß erhoeht werden. Erneuerbare Energiequellen sind anzuzapfen. Wir muessen viel
enger mit anderen Laendern zusammenarbeiten, um eine Veraenderung des Klimas zu
verhindern. Wenn wir das nicht tun, koennten unsere zukuenftigen Nachrichten so
aussehen:
Ansagerin
Vor 50 Jahren haben uns die
Wissenschaftler vor einem Klimakollaps gewarnt. Sie haben dazu angehalten, die
Energiegewinnung aus fossilen Brennstoffen einzuschraenken, um Waelder vor
Zerstoerung zu schuetzen. Leider wurden diese Warnungen nicht beachtet, und eine
Katastrophe globalen Ausmaßes ist die Folge. Es bleibt die Hoffnung, daß die
begonnenen Notprogramme Wirkung zeigen.
Das waren die Nachrichten fuer den 23.
Oktober 2044. Guten Abend.