Verhaltensbiologie (Ethologie)

 

1. Einleitung:

Das Verhalten von Tieren und Menschen ist sehr komplex. Die Ethologie vernetzt Biologie, Sozialwissenschaften, Ethik, Philosophie und Theologie. Wenn man es in dieser Komplexitaet erklaeren will, kann die Verhaltensbiologie keine exakte Wissenschaft sein. Dies hat auch zu unterschiedlichen Lehrmeinungen gefuehrt. Um Dir ein Geruest zu geben, fasse ich das Wichtigste zusammen. Deine Aufgabe ist es Beispiele dazu zu notieren.

 

2. Die 4 Ebenen:

Verhalten kann auf 4 Ebenen ablaufen.

 

 

 

 

 

 

 

 


Reflexe und Instinkte sind Verhaltensweisen, welche in den Genen definiert sind. Dank der Lernfaehigkeit koennen Instinkthandlungen abgeaendert oder ganz neue Handlungen durchgefuehrt werden. Damit kann das Verhalten an neue oder veraenderte Umweltbedingungen angepasst werden. Man spricht auch von Instinkt-Lernverschraenkung. Denken, welches sich in einsichtigem und vorausplanenden Handeln zeigt, zeichnet den Menschen und hochentwickelten Tierarten aus.

 

 

3. Methoden:

Beobachtungsart                            Vorteil                                    Nachteil

 

1.      Freilebende Tiere:                    Natuerliche Umgebung          Lange Angewoehnungszeit

2.      Zahme, freilebende Tiere        Mensch stoert nicht                ev. unnatuerliche Reaktionen

3.      Labortiere und –versuche        Standardisierte Beding.      Unnatuerliche Umgebung

4.      Isolierungsexperimente

(Kaspar-Hauser-Tiere)             Kein erlerntes Verhalten      Unnatuerliches Entwicklung

5.      Beobachtungsapparate           Genaue Dokumentation      Grosser techn. Aufwand

 

Methoden beim Menschen:        

Beobachtungsart                            Vorteil                                    Nachteil

 

1.      Saeuglinge                                  Kein erlerntes Verhalten      Lernt sehr schnell dazu

2.      Taubblinde Saeuglinge              Kein erlerntes Verhalten      Sehr selten

3.      Kulturenvergleich                      Leicht verfuegbar                    Heute oft verwischt

4.      Tier-Mensch-Vergleich             Arttypisches Verhalten         Unpraezise

 

4. Behaviorismus und Vergleichende Verhaltensforschung

 

Beim Behaviorismus geht man davon aus, dass Tiere als unbeschriebene Blaetter zu Welt kommen also ohne genetisch mitbeeinflusste Verhaltensweisen. Das Lernen der Tiere erfolgt aufgrund von Versuch und Irrtum (Thorndike und Skinner). Es wird vor allem mit Labortieren gearbeitet.

 

Im Gegensatz dazu beobachtet man bei der vergleichenden Verhaltensforschung Tiere in der natuerlichen Umgebung. Man geht von vererbtem Verhalten aus, welches von der Umgebung gepraegt wird.

 

5. Angeborenes Verhalten

Ablauf von Instinkthandlungen (Beispiel Beutefang)

Sie ist abhaengig von hormonellen und nervoesen Zustaenden.

 
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Ausloeser ist z.b. ein Tier, der Schluesselreiz ist das Piepsen des Tieres. Je hoeher die Appetenz umso schwaecher kann der Schluesselreiz sein. Falls auch ein neutraler Reiz den AAM ausloest spricht man von Leerlaufhandlung.

 

Lernfaehige Tiere verbessern ihre Taxis staendig. Jungtiere sind noch ungeschickt. Sie spielen: (neutrale Reize als Ausloeser = Leerlaufhandlung)

 

Die Endhandlung kann auch aus einer ganzen Abfolge zwischen Ausloeser und Tier bestehen. Man spricht dann von Handlungskette.

Falls eine Endhandlung nicht durchgefuehrt werden kann (Hemmungen, Aversionen,Einschraenkungen) entsteht Frustration und oft eine Ersatzhandlung = uebersprungshandlung, wobei die Appetenz bleibt.

 
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


6. Erlerntes Verhalten

Obligatorisches und Fakultatives Lernen:

 

 

Bedingte Reaktionen

Hier koppelt sich eine Erinnerung (positiv oder negativ) an ein Verhalten. Diese Erinnerung beeinflusst das zukuenftige Verhalten. Voraussetzung ist natuerlich, dass das Tier fuer diese Erfahrung ein Gedaechtnis hat.

 

 

Erkundungs- und Spielverhalten:

Je staerker das Verhalten eines Tieres vom Lernen abhaengig ist, desto laenger muss die Kindheit dauern. In dieser Zeit wird die Umwelt erforscht und Taxis und Endhandlung durch Spielen an die Umgebung angepasst. Diese Jungenzeit bedingt aber eine Brutpflege und Schutz von den Eltern. Somit sind Jugend, Spielen, Lernen, und Brutpflege miteinander Verknuepft.

 

Bedingte Aktionen:

Tiere mit Erkundungsverhalten probieren immer wieder Neues aus. Dieses Agieren nutzte Skinner in seinen Experimenten aus. Er baute in seine Boxen Hebel ein, welche beim Betaetigen eine Belohnung oder Bestrafung ausloesten. Damit wurden den Tieren ganze Handlungsablaeufe beigebracht. Viele Lernprogramme und Sprachlabors arbeiten nach dem gleichen Prinzip. Die Resultate der Tests werden belohnt oder bestraft.

 

Praegung:

Gaense- oder Entkueken laufen einige Stunden nach dem Schluepfen jedem Objekt nach, das sich bewegt und Laute von sich gibt (Konrad Lorenz). Man bezeichnet die Zeitspanne, in der die Praegung erfolgt als sensible Phase (arteigener Gesang bei Voegeln).

 

 

 

 

Lernen durch Gewoehnung

Fuechse, Maeusebussarde, Fischreiher haben keine Angst mehr von vorbeifahrenden Autos, weil sie sich an deren Anblick und Laerm gewoehnt haben. Sie sind zu neutralen Reizen geworden.

Lernen durch Nachahmung

Die Jungen beobachten das Verhalten der Erwachsenen und spielen es nach. Beim Menschen gilt das leider auch fuer schlechtes Verhalten.

Gedaechtnis

Ohne Gedaechtnis ist Lernen nicht moeglich. Je besser das Gedaechtnis umso komplexer kann gelernt werden.

Lerndisposition

Sie bestimmt was ein Lebewesen lernen kann. Es ist auf die Situationen in seiner natuerlichen Umgebung ausgerichtet.

 

 

 

 

 

 

7. Sozialverhalten:

 

Man unterscheidet 4 soziale Strukturen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Kommunikation:

Um innerhalb dieser Verbaende zu kommunizieren braucht es verschiedenen Informationstraeger.

 

 

8. Kognitive Leistungen bei Tieren

Averbales Denken

Affen koennen Symbole als Informationstraeger verstehen. Sie koennen Regeln die mit Symbolen dargestellt werden erkennen.

Einsichtiges Verhalten

Es wird auch als planendes oder vorausschauendes Verhalten bezeichnet. Es bedingt einen gut ausgebildeten Frontallappen der vor allem bei Affen und Menschen vorhanden ist.

Sonderstellung des Menschen

Er zeichnet sich durch Einsicht, Bewusstsein, Sprache und Kultur aus. Diese Attribute finden sich aber auch ansatzweise bei Menschenaffen (der Affe im Spiegel).

Kultur

Man versteht darunter die Weitergabe von Informationen oder erlerntem Verhalten. Dies kann auch bei Menschenaffen beobachtet werden.

 

 

 

9. Verhaltensweisen von Tier und Mensch

Sexuelles Verhalten

Die Paarungszeit ist fuer viele Maennchen mit grossem Energieverlust verbunden. Dieses Energie-Opfer ist nur sinnvoll, wenn dadurch Gene weitergeben werden, welche diesen Verlust rechtfertigen, d.h. bei der neuen Generation viele Vorteile bringen. Die Weibchen bevorzugen Maennchen mit Eigenschaften, die Gesundheit und Fitness zuverlaessig signalisieren.

 

Unterschiede im Aussehen oder Verhalten zwischen maennlichen und weiblichen Tieren bezeichnet man als Sexualdimorphismus. Sie wirken auf den Geschlechtspartner anziehend und wirken oft als Schluesselreize. Um Innzucht zu vermeiden werden familiaere Merkmale als nicht so attraktiv beurteilt. Zu grosse Merkmalsunterschiede (andere Art) haben die gleiche Wirkung.

 

Man unterschiedet folgende Partnerbeziehungen:

1.      Polygynie: Ein Maennchen paart sich mit mehreren Weibchen.

2.      Polyandrie: Ein Weibchen paar sich mit mehreren Maennchen

3.      Promiskuitaet: Maennchen und Weibchen paaren sich mehrfach mit verschiedenen Geschlechtspartner (Bonobos)

 

 

Territorial- und Besitzverhalten

Da Tiere kein Geld oder Besitz haben sind sie darauf angewiesen, dass in ihrem Gebiet genuegend Nahrung und andere lebenswichtige Faktoren vorraetig sind. Dieses Gebiet gewaehrleistet quasi den noetigen Besitz. Es wird auch als Revier oder Territorium bezeichnet.

 

Diese Reviere muessen markiert und verteidigt werden, ansonsten kommt es zu einer uebernutzung die fuer alle Individuen dieser Art lebensbedrohlich werden kann. Die Revierkaempfe haben wiederum einen selektiven Charakter (der Bessere setzt sich durch). Zudem fuehrt Revierverhalten zur Ausbreitung der Art und Besiedelung von unbesetzten Gebieten.

 

Auch der Mensch kennt ein Territorialverhalten, wobei nicht die Groesse, sondern die Sicherheit im Vordergrund steht. Dank der Erfindung von Geld, ist Besitz nicht mehr von der Reviergroesse abhaengig, sondern kann mit einer Ziffernfolge oder einem Kreditkaertchen ersetzt werden.

 

Rangordnungsverhalten

Rangordnungen kommen durch Rangstreben und Unterordnung zustande. Kriterien zum Aufsteigen sind: Kraft, Gewandtheit, Kontaktfaehigkeit, Aktivitaet, Initiative, Durchsetzungsvermoegen, Einsatz fuer die Gruppe. Diese Fuehrungseigenschaften aehneln sich bei verschiedenen Tierarten ganz erstaunlich. Allerdings ist immer koerperliche Staerke notwendig.

 

Bei Knaben kann man dieses Verhalten gut beobachten. Sie bilden gerne Banden mit Rangordnungen bei denen die Kraft eine wichtige Rolle spielt. Dank den intellektuellen und sozialen Faehigkeiten des Menschen muss aber die Erwachsenengesellschaft nicht mehr hierarchisch sein.

 

Aggressionsverhalten

Innerhalb einer Art geht dem Kampf zuerst das Imponieren und Drohen vor. Damit wird der Kampf oft unnoetig. Man spricht von innerartlichem Aggressionsverhalten. Wenn der Kampf entschieden ist, wird er abgebrochen. Der Unterlegene flieht und zeigt Demutsgesten. Damit werden schwere Verletzungen und unnoetiger Kraftverlust vermieden. Bei Kaempfen ohne Verletzungen spricht man von Kometenkaempfen. Entstehen aber Verletzungen, spricht man von Beschaedigungskaempfen. Mit der innerartlichen Aggression werden Reviere abgegrenzt, Rangordnungen festgelegt und Weibchen aufgeteilt.

 

In Populationen mit nur Kometenkaempfer gewinnen die Beschaedigungskaempfer, weil die anderen den Kampf aufgeben. Dadurch vermehren sich die Beschaedigungskaempfer immer mehr. Wenn fast nur noch Beschaedigungskaempfer vorhanden sind, vermehrt sich der Komentenkaempfer, weil die anderen sich gegenseitig schwer verletzen. So pendelt sich in einer Population ein ganz bestimmtes Verhaeltnis zwischen Kometen- und Beschaedigungskaempfer ein.

 

Beim Menschen ist das Aggressionsverhalten sehr komplex. Es gibt deshalb auch 4 verschieden Theorien.

 

 

 

1.      Triebtheorie: Die Aggression ist in der Instinktebene verwurzelt und fuehrt deshalb zu einer Appetenz, die zu einer Endhandlung fuehren muss. Fehlt der Schluesselreiz nimmt die Appetenz zu und es wird ein Ersatzobjekt zum Ausloeser. (Leerlaufhandlung z. b. Vandalismus)

 

2.      Frustrations-Aggressions-Theorie: Frustration ist die Stoerung wenn eine Endhandlung trotz grosser Appetenz nicht durchgefuehrt werden kann. Aggression ist das Verhalten, das auf die Verletzung eines Organismus abzielt. Kernaxiom: Aggression ist immer die Folge einer Frustration und Frustration fuehrt immer zu einer Form von Aggression.

 

3.      Lerntheorie der Aggression: Aggression kommt ausschliesslich durch Lernen am Vorbild zustande. Aggression fuehrt zu den angestrebten Zielen.

 

4.      Genetisch-soziales Modell der Aggression: Aggressionsverhalten wird durch ein komplexes Zusammenwirken von Erbanlagen und Umwelteinfluessen bestimmt.

 

 

Brutpflege:

Fuer eine erfolgreiche Fortpflanzung ist sie nicht unbedingt notwendig. Viele Tiere erzeugen eine riesige Menge Nachkommen, um die sie sich dann nicht mehr kuemmern. Ein Teil davon ueberlebt, der andere dient anderen Lebewesen als Nahrung. Hingegen ist Kindheit und Lernen nur moeglich, wenn ein geschuetzter Raum fuer die Kinder zur Verfuegung steht. Ansonsten waere ein ueberleben unmoeglich. Brutpflege ist also fuer lernende Tiere eine Vorbedingung.

 

Bei Voegel und Saeugetieren haben die Weibchen nur mittels einer sorgfaeltigen Aufzucht die Moeglichkeit ihre Gene weiterzugeben. Dazu ist es hilfreich, wenn der Vater sich an der Aufzucht beteiligt. Die Fitness der Vaeter steigt aber, wenn sie stattdessen weitere Weibchen begatten. Deshalb verlangen viele Vogelweibchen zuerst ein Nest und ein abgestecktes Revier. Erst dann lassen sie sich begatten.

 

Nesthocker, Nestfluechter, Tragling:

Katzen und viele Voegel sind nach der Geburt noch nicht faehig der Mutter zu folgen. Sie verbleiben im Nest und werden als Nesthocker bezeichnet. Rehkitze und Enten verlassen sofort das Nest und folgen der Mutter. Sie sind Nestfluechter. Affen krallen sich an der Mutter fest. Man bezeichnet sie als aktive Traglinge im Gegensatz zu Menschenkinder die passive Traglinge sind.