Systematik   


Ist die Bestimmung und Benennung der Lebewesen und ihre Zuordnung zu einem formalen System. Nur wenn die unglaublich vielen Lebensformen der Erde benannt und nach einer bestimmten Einteilung geordnet sind, wissen Biologen (vor allem auf internationaler Ebene) eindeutig, um welches Lebewesen es jeweils bei Forschungsarbeiten oder in Veroeffentlichungen geht. Anhand wichtiger Eigenschaften der einzelnen Organismen legt man Gruppen fest, deren Mitglieder uebereinstimmende Merkmale aufweisen, waehrend sie sich von anderen Gruppen staerker unterscheiden. In der modernen Systematik gilt es insbesondere, Artengruppen so abzugrenzen, dass die Einteilung entwicklungsgeschichtliche Ablaeufe widerspiegelt, die zur Entstehung der einzelnen Lebensformen gefuehrt haben (zu Zeiten Carl von Linnés wurden Arten lediglich auf der Basis leicht zu erkennender aeußerer Merkmale eingeordnet). Die Gruppen bilden eine Art Pyramide oder Hierarchie, deren einzelne Ebenen dem unterschiedlichen Grad der entwicklungsgeschichtlichen Verwandtschaft entsprechen. Am unteren Ende der Hierarchie stehen mehrere Millionen Arten, die jeweils aus einzelnen, nahe verwandten Lebewesen bestehen. Das obere Ende der Hierarchie bilden die Organismenreiche, die sehr viele, teilweise nur weitlaeufig verwandte Arten umfassen.


Um ein System zu schaffen, das die Verhaeltnisse in der Natur so gut wie moeglich wiedergibt, untersucht und vergleicht man Anatomie, Physiologie, Genetik, Verhalten, oekologie und Fossilfunde sehr vieler Lebewesen. Heute sind ueber 1,5 Millionen Arten bekannt und zumindest teilweise beschrieben, aber weitaus mehr gilt es noch zu entdecken. Zu diesen Untersuchungen tragen alle Fachgebiete der Biologie bei. Die Disziplinen, die sich unmittelbar mit Fragen der Einordnung von Arten beschaeftigen, heißen Taxonomie und Systematik. Die beiden Gebiete ueberschneiden sich erheblich, aber in der Taxonomie geht es mehr um die Benennung (Nomenklatur) und den Aufbau hierarchischer Systeme, waehrend die Systematik sich eher mit der Aufklaerung entwicklungsgeschichtlicher Verwandtschaftsverhaeltnisse befasst.

 

HIERARCHIEEBENEN

  
Die unterste Kategorie der Hierarchie ist die Art, und sie gilt auch als die einzige Gruppe, die in der Natur tatsaechlich vorhanden ist. Die hoeheren Kategorien repraesentieren abstrakte Artengruppen. Eine Art besteht aus Individuen, die sich in vielen wichtigen Eigenschaften aehneln, untereinander paaren und fruchtbare Nachkommen hervorbringen, sofern es sich um eine Spezies mit sexueller Fortpflanzung handelt. Die Kreuzung mit Lebewesen anderer Arten ist entweder ueberhaupt nicht moeglich, oder die dabei entstehenden Nachkommen sind unfruchtbar.


Arten, die sich untereinander nicht kreuzen, deren Verwandtschaft aber an Merkmalen zu erkennen ist, die von einem gemeinsamen Vorfahren uebernommen wurden, bilden eine Gattung. Die einzelnen Arten einer Gattung tragen einen zweiteiligen Namen (Binominalnomenklatur). Das erste Wort ist der Name der Gattung, und das zweite – meist ein beschreibendes oder geographisches Adjektiv – bezeichnet die einzelne Art. Diese Art der Benennung wurde 1758 von dem schwedischen Naturforscher Linné eingefuehrt, der die moderne Taxonomie begruendete. Er verwendete lateinische Namen, weil sich die Gelehrten seiner Zeit in dieser Sprache verstaendigten. Dem Menschen gab Linné den Gattungsnamen Homo (Mensch) und die Artbezeichnung sapiens (weise). Beim weiteren Aufbau der systematischen Hierarchie fasst man die Gattungen zu Familien zusammen, die Familien zu Ordnungen, die Ordnungen zu Klassen, die Klassen zu Staemmen und die Staemme zu Organismenreichen. Die Organismengruppen innerhalb dieser sieben Hauptebenen der Hierarchie bezeichnet man als Taxa. Die Definition eines Taxons beinhaltet jeweils die wichtigsten Merkmale, die alle in ihm enthaltenen Taxa gemeinsam haben.


Zur weiteren Unterteilung kann man die einzelnen Ebenen mit den Zusaetzen ueber- oder Unter- versehen. Außerdem gibt es in komplizierten Systemen noch Zwischenstufen wie die Kohorte (zwischen Klasse und Ordnung) und den Tribus (zwischen Familie und Gattung).


Ein Taxon sollte auf allen Ebenen eine gemeinsame entwicklungsgeschichtliche Herkunft beinhalten, d. h. alle Mitglieder sollten nur von einem dieser gemeinsamen Vorfahren abstammen. Ein solches Taxon nennt man monophyletisch. Gehoeren zu einem allgemein anerkannten Taxon zwei oder mehr Gruppen, die durch konvergente Evolution viele gemeinsame Eigenschaften haben, obwohl sie zu unterschiedlichen Abstammungslinien gehoeren, spricht man von einem polyphyletischen Taxon. In der Regel versucht man dann, das Taxon neu zu definieren, so dass es monophyletisch wird.

 

DIE FueNF ORGANISMENREICHE

  
Zwei Reiche von Lebewesen, die Plantae (Pflanzen) und die Animalia (Tiere) erkannte Aristoteles schon im 4. Jahrhundert v. Chr., als er das erste biologische System aufstellte. Fest im Boden verwurzelte Pflanzen unterscheiden sich in Lebensweise und Evolution so stark von den zumeist beweglichen Tieren, die ihre Nahrung fressen, dass diese Vorstellung von den zwei Reichen bis vor nicht allzu langer Zeit erhalten blieb. Erst im 19. Jahrhundert, als man schon lange wusste, dass sich Einzeller nicht ohne weiteres in diese beiden Kategorien einordnen lassen, kam der Gedanke auf, fuer die einzelligen Lebewesen ein drittes Reich zu schaffen; man nannte es Protista. Und obwohl man außerdem bereits die Photosynthese kannte und wusste, dass sie die wichtigste Methode der Pflanzen zur Naehrstoffproduktion ist, ordnete man die Pilze, die sich durch Absorption von Naehrstoffen ernaehren, wegen ihrer sesshaften Lebensweise weiterhin den Pflanzen zu.


Nachdem es aber in juengster Zeit immer bessere Methoden zur Untersuchung der Zellen gab, stellte sich zunehmend deutlicher heraus, dass die wichtigste Trennlinie in der Welt des Lebendigen nicht zwischen Pflanzen und Tieren verlaeuft, sondern zwischen Lebewesen, deren Zellen einen abgegrenzten Zellkern besitzen, und jenen, bei denen ein solcher membranumhuellter Kern fehlt. Die kernlosen Zellen nennt man Prokaryonten („vor dem Kern”), und solche mit einem Zellkern heißen Eukaryonten („echter Kern”). Prokaryontenzellen besitzen auch keine Organellen (Mitochondrien, Chloroplasten, hochentwickelte Flagellen und andere spezialisierte Zellstrukturen), von denen zumindest einige in allen Eukaryontenzellen vorkommen. Zu den Prokaryonten gehoeren die Bakterien und die Cyanobakterien, die man deshalb in der modernen Taxonomie in ein eigenes Reich mit der Bezeichnung Monera oder Prokaryotae einordnet.


Die Eukaryontenzellen entstanden viel spaeter als symbiotische Verbindung zwischen Prokaryonten. Das Reich der Protista umfasst eine große Vielfalt von Einzellern, von denen manche allein leben, waehrend andere Kolonien bilden. Wahrscheinlich sind alle Lebewesen in den Reichen der Vielzeller aus Protisten hervorgegangen. Das Tierreich (Animalia) besteht aus vielzelligen Organismen, deren Zellen in unterschiedlichen Geweben differenziert sind; außerdem sind Tiere mit Hilfe kontraktionsfaehiger Gewebe ganz oder teilweise beweglich, und sie verdauen ihre Nahrung im Koerperinneren. Die vielzelligen Lebewesen des Pflanzenreiches haben in der Regel Zellen mit einer Zellwand. In den Zellen befinden sich Chloroplasten, in denen sie durch Photosynthese ihre eigenen Naehrstoffe herstellen. Zum fuenften Reich, den Pilzen (Fungi), gehoeren ebenfalls vielzellige Arten, die aber ihre Nahrung außerhalb des Koerpers verdauen und dann durch Hyphen aufnehmen; die Hyphen, aus denen ihr ganzer Koerper besteht, sind Protoplasmaschlaeuche.


Diese Einteilung der Lebewesen in fuenf Reiche gruendet sich also auf drei Organisationsebenen: Die erste ist die der sehr einfach gebauten Prokaryonten, zur zweiten gehoeren die immer noch recht einfach strukturierten einzelligen Eukaryonten, und die dritte ist die Ebene der komplexen, eukaryontischen Vielzeller. Auf der letztgenannten Ebene kann man drei Evolutionsrichtungen unterscheiden, die durch drei unterschiedliche Arten der Ernaehrung gekennzeichnet sind; dies spiegelt sich in der unterschiedlichen Gewebeorganisation der Tiere, Pflanzen und Pilze wider.

 

1. Prokaryonten (Bakterien und Blaualgen oder Cyanobakterien)

 

 

Aufbau eine Bakteriums

Bakterienzellen sind normalerweise von einer festen, schuetzenden Zellwand umgeben. Die darunter liegende Zellmembran regelt die Stoffpassage in das Zytoplasma (das halbfluessige Zellinnere) und aus diesem heraus. Die DNA, das Erbmaterial, liegt im Nucleoid, dem Kernaequivalent der Bakterien (Bakterien haben keinen echten, von einer Membran umhuellten Zellkern). An den Ribosomen findet die Proteinsynthese statt. Viele Bakterien verfuegen ueber Pili (Singular: Pilus), Strukturen, die aus der Zelle herausragen, um DNA zu einem anderen Bakterium uebertragen zu koennen. Das Flagellum mancher Arten dient der Fortbewegung. Einige Bakterien haben ein Plasmid, ein zusaetzliches, kleines Chromosom mit weiteren Genen. Bestimmte Arten erzeugen eine Kapsel, eine klebrige Huelle außerhalb der Zellwand, die Bakterien gegen Angriffe weißer Blutzellen schuetzt. Mesosomen galten frueher als bakterielle Strukturen unbekannter Funktion. Heute sind sie als Artefakte entlarvt: Sie entstehen, wenn Bakterien fuer die Betrachtung durch ein Elektronenmikroskop praepariert werden.

 

 

 

2. Eukaryontische Einzeller = Protisten (pflanzenartige, tierische und pilzartige)

 

Protisten, das Reich niederer, vorwiegend einzelliger Organismen. Das Reich der Protisten wurde von dem deutschen Biologen Ernst Haeckel eingefuehrt, da sich einzellige Organismen nur schwer den Pflanzen oder Tieren zuordnen lassen, sondern haeufig Kennzeichen beider Gruppen zeigen.

 Eukaryontische Protisten verfuegen ueber einen echten Zellkern, dessen Chromosomen vom uebrigen Zellinhalt, dem Zytoplasma, durch eine Kernmembran abgetrennt sind. Außerdem sind sie durch Zellorganellen gekennzeichnet. Dies sind spezialisierte Zellstrukturen wie etwa Mitochondrien, Chloroplasten und hochentwickelte Flagellen (Zellfortsaetze). In dieser Hinsicht stellen Eukaryonten einen großen Schritt in der Evolution dar, im Vergleich zu den primitiveren Bakterien und Cyanobakterien, die Prokaryonten sind. Prokaryonten besitzen weder einen echten Zellkern mit Zellmembran noch Organellen. Eukaryonten moegen sich aus Vergesellschaftungen von Prokaryonten entwickelt haben, die in Symbiose miteinander lebten. Mitochondrien koennten beispielsweise aus Bakterien entstanden sein, die in andere Zellen aufgenommen wurden. Auf aehnliche Weise stammen Chloroplasten moeglicherweise von Prokaryonten ab, die Cyanobakterien aehnelten. Eukaryonten haben sich im Lauf der Evolution wahrscheinlich mehrmals aus verschiedenen Prokaryontensymbiosen entwickelt, so dass sich daraus schließlich die große Vielfalt von Organismen ergab, die heute als Reich der Protisten zusammengefasst werden.

 Protisten sind das Ergebnis vieler Entwicklungslinien der Evolution, die sich schwer gegeneinander abgrenzen lassen. Die meisten Protisten sind mikroskopisch kleine, einzellige Organismen. Einige hingegen bilden Kolonien aus einer Vielzahl von Zellen, die mit bloßem Auge erkennbar sind, so z. B. die Foraminiferen. Solche Kolonien stellen eine komplexe Organisationsform dar, wie sie eigentlich fuer hoeher entwickelte Organismen kennzeichnend ist. Man nimmt daher heute an, dass sich im Lauf der Evolution vielfach mehrzellige Organismen aus Protistenkolonien entwickelt haben (siehe Systematik).

 Streng genommen zaehlen nur einzellige Eukaryonten und einfache Eukaryontenkolonien zu den Protisten, im weiteren Sinn werden auch einige hoeherentwickelte Algen und andere so genannte uebergangsgruppen hinzugerechnet. Letztere setzen sich aus Organismen zusammen, die mehrzellig sind, aber keine komplexe Gewebestrukturen wie Pflanzen, Tiere oder Pilze aufweisen. Dazu zaehlen Algen, Mesozoa, Placozoen und Schwaemme sowie die pilzartigen Schleimpilze und Chytridiomyceten.

Die Grenzen des Reiches der Protisten sind also nicht klar gesteckt. Einige sind pflanzenaehnlich, da sie Photosynthese betreiben, andere zeigen eine aehnliche Nahrungsaufnahme wie Tiere. Wiederum andere Gruppen ernaehren sich aehnlich wie Pilze. Die große Artenvielfalt erschwert die Beschreibung eines typischen Protisten. Als charakteristische Organismen dieses Reiches koennen die Geißeltierchen angesehen werden. Dabei handelt es sich um einzellige Organismen, die ueber eine oder mehrere hoeher entwickelte Geißeln oder Flagellen verfuegen (im Vergleich zu den einfacheren Zellfortsaetzen einiger Bakterien) sowie manchmal einen oder mehrere Chloroplasten aufweisen.

Nach der in dieser Enzyklopaedie verwendeten Klassifikation, welche die meisten der oben genannten uebergangsformen vernachlaessigt, werden die folgenden Hauptgruppen unterschieden: Zu den pflanzenartigen Protisten zaehlen die Abteilung der Chrysophyta (siehe Kieselalgen), die Dinoflagellaten oder Pyrrophyta sowie die Cryptophyta und Euglenophyta. Zu den tierartigen Protisten, die auch als Protozoen bezeichnet werden, gehoeren die Geißeltierchen oder Zooflagellaten, amoebenartige Formen oder Sarcodina, Wimpertierchen und Suctoria der Unterklasse Wimpertierchen sowie die parasitaeren, Sporen bildenden Sporentierchen oder Sporozoa. Zum Typ der pilzartigen Protozoen werden die Hyphochytriden (Hyphochytridiomycota) und die Plasmodiophoren (Plasmodiophoromycota) gezaehlt. Der Organisationstyp der Schleimpilze besteht aus mehreren umstrittenen Untergruppen, die hier als zu den Protisten gehoerend behandelt werden. Sie besitzen sowohl Eigenschaften der Pilze als auch der Protozoen.

 Amoebe bei der Phagozytose

 

  Plasmodien (Erreger der Malaria)

 Geisseltierchen

 

 Pantoffeltierchen

 

 Zellkolonie von Protisten (Foraminiferen)

 

 

 

3. Pflanzen

Pflanzen sind vielzellige Organismen mit eukaryontischen Zellen (Zellen mit einem Zellkern; siehe Zellen: Prokaryonten und Eukaryonten); ihre Zellen sind von mehr oder weniger festen und versteiften Zellwaenden umgeben, die hauptsaechlich aus Cellulose bestehen. Die Zellmembranen von tierischen und pilzlichen Zellen sind dagegen in der Regel weich und flexibel. Das wichtigste Merkmal von Pflanzen ist ihre Faehigkeit zur Photosynthese, mit der sie die Energie des Sonnenlichtes in chemische Energie umwandeln – ein Vorgang, der in den gruenen, Chlorophyll enthaltenden Zellorganellen stattfindet, die man als Chloroplasten bezeichnet. Pflanzen sind daher bei der Ernaehrung autotroph, also nur von anorganischen Bestandteilen der Umgebung wie mineralischen Naehrstoffen und Wasser abhaengig, im Gegensatz zu den sich heterotroph (von organischer Substanz) ernaehrenden Tieren und Pilzen. Einige wenige Pflanzen haben ihre Faehigkeit zur Photosynthese im Lauf der Evolution zwar verloren, da sie sich an spezielle Umweltbedingungen angepasst haben und zu Saprophyten (Pflanzen, die sich von toter organischer Materie ernaehren) oder Parasiten (Pflanzen, die sich von lebender organischer Materie ernaehren) geworden sind; in ihrem Aufbau zeigen sie allerdings deutlich, dass es sich dennoch um Pflanzen handelt.

Ob die verschiedenen Algengruppen zum Pflanzenreich gehoeren oder nicht, oder nur gewisse Gruppen von Algen, wird von den Biologen unterschiedlich beurteilt. Rechnet man Algen zu den Pflanzen, so bezeichnet man sie zusammen mit den Moosen als Niedere Pflanzen oder Thallophyten (einfach gebaute Pflanzen ohne Ausbildung der echten, fuer die Hoeheren Pflanzen typischen Organe; siehe unten: Organe der Pflanzen), im Gegensatz zu den Hoeheren Pflanzen oder Kormophyten (Gefaeßpflanzen, siehe unten), unter denen man die Farne und Samen- bzw. Bluetenpflanzen versteht. Die ueberwiegende Zahl der Algen ist wie die Pflanzen zur Photosynthese befaehigt; im Gegensatz zu diesen gibt es bei den Algen jedoch mehrere, chemisch verschiedene Pigmenttypen. Viele Algen haben einen echten Zellkern und sind daher eukaryonte Organismen; es gibt sowohl vielzellige als auch einzellige Algen, wobei die Vielfalt im Aufbau und damit die Zugehoerigkeit zu hoeheren Verwandtschaftsgruppen vor allem bei den einzelligen Algen strittig ist. Wegen der Verschiedenartigkeit der Pigmenttypen, der Zellwandarten und ihrer aeußeren Gestalt rechnet man die Algen heute jedoch zwei getrennten Reichen zu, zu denen im uebrigen eine Vielzahl pflanzenaehnlicher und anderer Organismen gehoeren, die nicht unbedingt eng verwandt sind. Gruenalgen werden allgemein als entwicklungsgeschichtliche Vorfahren der Hoeheren Pflanzen angesehen, da ihr Chlorophyll, ihre Art der Zellwaende und andere Einzelheiten des Zellaufbaus denen der Pflanzen aehnlich sind.

 

 

4. Pilze
Pilze sind eukaryonte Organismen; in ihrem Aussehen und der Morphologie sowie aufgrund ihrer Unbeweglichkeit hat man sie lange zu den Pflanzen gestellt. Heute werden sie jedoch in ein eigenes Reich gruppiert, da sie kein Chlorophyll und keine Plastiden aufweisen und weil ihre Zellwaende keine Cellulose, sondern Chitin enthalten, ein Material, das bei Pflanzen nicht vorkommt. Pilze nehmen ihre Nahrung – tote oder lebende organische Materie – durch Absorption auf. Als Speicherstoff dient ihnen Glykogen, wogegen Pflanzen Staerke zur Speicherung benuetzen.

Heute betrachten die meisten Wissenschaftler die Pilze daher als eine voellig eigenstaendige Gruppe, die das Reich der Fungi (lateinisch: Pilze) bildet. Zumindest gilt dies fuer die Hoeheren Pilze, von denen Fossilien bereits im Erdaltertum nachgewiesen sind und die eine geschlossene Gruppe mit einheitlichen Vorfahren darstellen. Im Gegensatz zu diesen handelt es sich bei den so genannten Niederen Pilzen um eine vielfaeltige Gruppe, die wahrscheinlich mehrfach waehrend der Evolution entstand und die daher sehr heterogen ist. Zu ihnen zaehlen etwa die Schleimpilze und einige andere, kleinere Gruppen. Sie aehneln den Hoeheren Pilzen, zeigen jedoch zumindest in bestimmten Lebensabschnitten entweder begeißelte oder amoeboid bewegliche Formen, die den Hoeheren Pilzen gaenzlich fehlen. Es wird daher vermutet, dass sich die Niederen Pilze aus begeißelten Algen (siehe Geißeltierchen) entwickelten. Gewoehnlich ordnet man alle Niederen Pilze dem Reich der Protisten zu. Etwa 100 000 Pilzarten sind derzeit bekannt, von denen die Hoeheren Pilze ueber 90 Prozent ausmachen. Da insbesondere die Regenwaelder hinsichtlich ihres Pilzreichtums noch wenig erforscht sind, wird vermutet, dass es tatsaechlich weit mehr Arten gibt. Man nimmt an, dass ihre Artenzahl mindestens ebenso hoch wie die der Bluetenpflanzen ist, also etwa bei 250 000 liegt. Andere Schaetzungen gehen sogar von bis zu etwa 1,5 Millionen Pilzarten aus.

 

 

5. Tiere

Das Tierreich besteht ebenfalls aus eukaryontischen Vielzellern; sie ernaehren sich wie die Pilze von organischen Stoffen, die sie jedoch durch Mundoeffnungen aktiv aufnehmen; sie besitzen keine Zellwaende, nehmen aeußere Sinnesreize haeufig mit definierten Organen wahr und koennen sich – zumindest in bestimmten Entwicklungsstadien – frei bewegen.

 

 

Koerperbau als Kriterium der Verwandtschaft

Darm  

Einer der wichtigsten Koerperteile ist der Darm. Er muss in der Evolution der Metazoen schon sehr frueh entstanden sein. Schwaemme, die zu den am einfachsten gebauten Tieren gehoeren, besitzen eine Koerperhoehle fuer die Nahrungsaufnahme, aber ihre Koerperoeffnungen sind nicht mit einem Mund oder After zu vergleichen. Außerdem besitzen sie zwar Gewebe, aber keine echten Organe oder Nerven, zudem fehlt ihnen die Symmetrie. Etwas komplizierter sind die Quallen und ihre Verwandten gebaut, aktivere Tiere, die sich ihre Nahrung in der Regel mit Tentakeln beschaffen. Sie haben einen Darm und eine Mundoeffnung, aber keinen After. Ein Nervensystem ist vorhanden, doch gibt es bei diesen Tieren weder Gehirn noch Kopf. Der Koerper der Quallen zeigt keine zweiseitige Symmetrie – also keine linke und rechte Seite, wie man sie bei den hoeher entwickelten Tieren einschließlich des Menschen findet. Stattdessen sind diese Tiere radialsymmetrisch gebaut, d. h. die Symmetrie bezieht sich auf eine Mittelachse.

 

Symmetrie  

Anhand der Symmetrie kann man die meisten Tiere also in zwei große Kategorien einteilen: Radiata und Bilateria. Die Radiata besitzen nur zwei Hauptgewebeschichten: eine aeußere (Ektoderm) und eine innere (Endoderm). Bei den Bilateria liegt zwischen ihnen als dritte Schicht das Mesoderm. (In der Embryonalentwicklung gehen aus dem Ektoderm in der Regel Haut und Nervensystem hervor, aus dem Endoderm entstehen der Darm und einige mit ihm verbundene Organe, und das Mesoderm entwickelt sich zu den restlichen Koerperteilen, u. a. zu den Muskeln.) Die Entwicklung der zweiseitigen Symmetrie war in der Evolution auch gekoppelt mit einer zunehmenden Faehigkeit zu aktiver Fortbewegung, die allerdings in manchen Entwicklungslinien spaeter wieder verloren ging. Die Bewegung in einer bestimmten Richtung wurde durch die Entwicklung des Kopfes erleichtert, der Gehirn und Sinnesorgane am vorderen Koerperende vereinigte.

 

 

Coelom  

Der Urahn aller Bilateria hatte einen Darm, aber keine anderen Koerperhoehlen. Eine solche zusaetzliche Koerperhoehle nennt man Coelom – und Tiere, denen sie fehlt, bezeichnet man auch als Acoelomata. Die Ur-Bilateria besaßen weder einen After noch einen Blutkreislauf, aber vermutlich hatten sie ein einfach gebautes Ausscheidungssystem. Unter den heute lebenden Tieren ist dieser Bauplan in Form der Plattwuermer (Stamm Plathelminthes) vertreten. Da After und Kreislauf fehlen, koennen sich die Naehrstoffe in ihrem Koerper nur schwer verteilen. Die Schnurwuermer (Stamm Rhynchocoela) besitzen Kreislauf und After, aber auch sie koennen sich nur langsam und schwerfaellig fortbewegen.

Ein wichtiger entwicklungsgeschichtlicher Fortschritt war das Coelom als zusaetzliche Koerperhoehle neben dem Darm. Es verschafft den inneren Organen mehr Freiheiten bei der Entwicklung. In manchen Abstammungslinien wurde es zum Kreislaufsystem und zum Skelett. Das Coelom tritt in zwei Haupttypen auf. Ein echtes Coelom ist ein Hohlraum innerhalb des Mesoderms, der von einer Hautschicht (Epithel) ausgekleidet ist. Bei einem Pseudocoelom dagegen fehlt diese innere Schicht. Diese zweite Form der Koerperhoehle findet man bei mehreren Staemmen meist wurmaehnlicher Tiere, die man deshalb auch Pseudocoelomata nennt. Solche Tiere sind meist von bescheidener Groeße und koennen sich nur schlecht fortbewegen. Der Kreislauf fehlt, und auch in anderer Hinsicht sind sie recht einfach gebaut. Dennoch koennen sie sich in manchen Lebensraeumen sehr erfolgreich behaupten. Die anderen Tiere besitzen ein echtes Coelom und werden deshalb Eucoelomata genannt.

 

 

 

 

Stamm Porifera (Schwaemme)  


Schwaemme sind einfach gebaute, vielzellige Tiere; sie besitzen Gewebe, aber keine abgegrenzten Organe. Die meisten Arten leben im Meer, einige sind aber auch Sueßwasserbewohner. Sie heften sich an einer Unterlage fest und saugen durch Koerperoeffnungen Wasser ein, aus dem sie mit begeißelten Zellen Naehrstoffteilchen ausfiltern. Die meisten Koerperfunktionen werden von Zellen ausgefuehrt, die unabhaenig voneinander oder in kleinen Gruppen taetig sind. Ein Nervensystem besitzen die Schwaemme nicht, aber auf aeußere Reize koennen sie reagieren. In der Regel ist ein Skelett aus Fasern und/oder Mineralstoffen vorhanden. 4 800 Arten.

 

Stamm Coelenterata

(Hohltiere: echte Quallen und Polypen, Korallen und Seeanemonen)

  
Dieser Stamm wird auch Cnidaria genannt, insbesondere wenn man auch die Ctenophora (siehe unten) dazurechnet. Im Lebenszyklus der Hohltiere kommen unterschiedliche Stadien vor: ein festgehefteter Polyp (z. B. bei den Seeanemonen), eine frei schwimmende Meduse (bei den Quallen) oder beides. Zum Beutefang dienen Nesselzellen, die in der Regel in den Fangarmen (Tentakeln) liegen. Die meisten Hohltiere sind Meeresbewohner, nur wenige Arten (z. B. Hydra) kommen im Sueßwasser vor. Drei Klassen mit rund 5 300 Arten.

 

Stamm Plathelminthes (Plattwuermer)

  
Plattwuermer besitzen weder einen After noch einen Blutkreislauf. Sie sind im Ganzen recht einfach gebaut, haben aber haeufig recht hoch entwickelte und meist zwittrige Geschlechtsorgane. Die flache Form ist notwendig, weil alle Gewebe in der Naehe der Koerperoberflaeche liegen muessen; nur so ist der Gas- und Naehrstoffaustausch mit der Umgebung moeglich. Die frei lebenden Plattwuermer der Klasse Turbellaria (Strudelwuermer) kommen in Meer- und Sueßwasser haeufig, an Land aber nur selten vor. Zwei Klassen von Plattwuermern sind Parasiten: die Trematodes (Saugwuermer) und die Cestoda (Bandwuermer). Die Gnathostomulida (Kiefermuendchen), eine wenig erforschte Gruppe von Meeresbewohnern, wird entweder den Plathelminthes zugerechnet oder als eigener Stamm betrachtet. 13 000 Arten.

 

Stamm Mollusca (Weichtiere)

  
Die Weichtiere bilden den zweitgroeßten Stamm des Tierreiches. Zu ihnen gehoeren u. a. die Schnecken und Muscheln. Weichtiere haben in der Regel eine harte Schale und einen weichen Koerper. Anzeichen fuer eine Koerpersegmentierung findet man kaum, und das Coelom ist klein; die Hauptkoerperhoehle ist Teil des Blutkreislaufsystems. Manche Arten, vor allem Tintenfische und Kraken, koennen eine betraechtliche Groeße erreichen. Der Stamm der Mollusken umfasst sieben Klassen: Aplacophora, Polyplacophora (Kaeferschnecken), Monoplacophora, Gastropoda (Schnecken), Bivalvia (Muscheln und ihre Verwandten), Cephalopoda (Tintenfische, Kraken und ihre Verwandten) und Scaphopoda (Grabfueßer). 50 000 Arten.

 

 

Stamm Annelida (Ringelwuermer)

  
Die Ringelwuermer haben ein gut entwickeltes Coelom, einen weichen Koerper und (in der Regel) eine deutlich ausgepraegte Koerpersegmentierung. Haeufig findet man auch Borsten, die zum Kriechen dienen. In diese Gruppe gehoeren die Wenigborster (Klasse Oligochaeta) mit dem Regenwurm als bekanntestem Vertreter, die Egel (Klasse Hirudinea), und die weniger bekannten Vielborster (Klasse Polychaeta). Einige Tiere, deren systematische Stellung nicht gesichert ist, naemlich die Echiura (Igelwuermer oder Stachelschwaenze) und die Pogonophora (Bartwuermer) sollen hier ebenfalls zu den Ringelwuermern gerechnet werden, manchmal werden sie auch als eigene Staemme bezeichnet. Die Archiannelida und die Myzostomida, zwei kleinere Gruppen innerhalb der Vielborster, gelten oft als eigene Klassen. 8 700 Arten.

Stamm Arthropoda (Gliederfueßer)

  
Der Koerper der Gliederfueßer ist von einem harten Außenskelett umhuellt, das durch Gelenke beweglich wird. Die Gliederfueßer bilden den groeßten Stamm des Tierreiches, vor allem, weil es sehr viele Arten von Insekten gibt. Gliederfueßer sind allgegenwaertig und koennen sich in fast allen Lebensraeumen behaupten. Der Koerper ist segmentiert, und das Coelom ist zurueckgebildet. Drei kleine Gruppen werden entweder zu den Gliederfueßern gerechnet oder als eigene Staemme betrachtet: Onychophora (Stummelfueßer), Tardigrada (Baertierchen) und Pentastomida (Zungenwuermer). Bei den Klassen der hoeheren Gliederfueßer kann man mehrere Gruppen unterscheiden: einerseits solche mit Kiefern (Mandibulata), zu denen die Crustacea (Hummer, Krebse und ihre Verwandten), die ihnen nahe stehenden Myriapoda (Hundert- und Tausendfueßer) und die Klasse Insecta (Insekten) gehoeren, sowie andererseits solche mit Scheren als Mundwerkzeuge, wie Pycnogonida (Asselspinnen), Merostomata (Schwertschwaenze) und Arachnida (Spinnen und ihre Verwandten). ueber 1 000 000 Arten.

 

Stamm Chordata (Chordatiere)

  
Zu den Chordatieren gehoeren die Wirbeltiere (Tiere mit einer Wirbelsaeule) und einige mit ihnen verwandte Wirbellose. Alle besitzen in irgendeinem Stadium ihres Lebenszyklus einen starren, ueber dem Darm liegenden Stab, das Notochord. Bei Wirbeltieren tritt spaeter eine Reihe von Knochen (Wirbeln) an die Stelle des Notochords.


Bei den wirbellosen Chordatieren kann man zwei Unterstaemme unterscheiden. Die Tunicata (Manteltiere) machen im Lauf ihrer Entwicklung starke Veraenderungen durch und heften sich im ausgewachsenen Zustand an einer Unterlage fest. Zur Ernaehrung dienen ihnen Kiemenspalten. Das Notochord besitzen nur die frei schwimmenden Larven. Alle Manteltiere (etwa 1 300 Arten) sind Meeresbewohner. Die Cephalochordata (Lanzettfischchen) aehneln einfach gebauten Fischen. Sie leben im Meer und filtern Naehrstoffe mit den Kiemenspalten aus dem Wasser. Von ihnen kennt man etwa 25 Arten.


Die uebrigen Chordatiere gehoeren zum Unterstamm Vertebrata (Wirbeltiere) und besitzen eine Wirbelsaeule. Die Haelfte ihrer etwa 42 000 Arten sind Fische. Die Gruppe war zwar insgesamt erfolgreich, aber was die Zahl der Arten angeht, wird sie von Gliederfueßern und Weichtieren weit uebertroffen. In der Regel unterscheidet man sieben Klassen. Die fruehere Klasse Pisces (Fische) wurde schon vor laengerer Zeit in drei Klassen aufgeteilt: die Agnatha (kieferlose Fische wie z. B. Neunaugen), die Chondrichthyes (Knorpelfische wie Haie und Rochen) und die Osteichthyes (Knochenfische). Zur Klasse Amphibia (Amphibien oder Lurche) gehoeren Tiere, die zum Teil im Wasser und zum Teil an Land leben, wie Salamander, Kroeten und Froesche. Besser sind die Vertreter der Reptilien oder Kriechtiere an das Leben auf dem Trockenen angepasst; in diese Gruppe gehoeren Schildkroeten, Echsen, Schlangen und Krokodile. Die Klasse Reptilia gibt es in der modernen Systematik allerdings nicht mehr: Sie wird aufgeteilt, weil Krokodile naeher mit den Voegeln verwandt sind als mit anderen Kriechtieren. Die Klasse Aves (Voegel) ist nicht nur wegen der Flugfaehigkeit ihrer Arten etwas Besonderes, sondern auch weil Voegel gleichwarm sind und zur Temperaturisolierung ein Federkleid tragen. Die charakteristischen Kennzeichen der Klasse Mammalia (Saeuger) schließlich sind die Behaarung und die Brustdruesen, die Milch zur Ernaehrung der Jungen ausscheiden. Auch Saeuger sind gleichwarm.

 

 

 

Zusammenfassende uebersicht

Textfeld: Einzeller und ZellkolonienTextfeld: Mehrzellige Lebewesen